Forschung
22. April 2013
Kaltblütige Forschung lässt Herzen höher schlagen
Die rettende Wirkung einer kontrollierten Unterkühlung nach dem plötzlichen Herztod wird jetzt näher untersucht. Ziel der wissenschaftlichen Arbeit ist die Beurteilung, ob solche Kältebehandlungen durch gleichzeitige invasive Wiederbelebungsmaßnahmen optimiert werden können. Wesentlich für das Projekt ist die Etablierung eines aussagekräftigen Modells, anhand dessen Verbesserungen in der PatientInnengesundheit vorhergesagt werden können. Dazu werden auch neurologische Verhaltenstests entwickelt, die den Vergleich verschiedener Behandlungsregime ermöglichen. Damit wird das vom Wissenschaftsfonds FWF unterstützte Projekt neue Grundlagen für die Optimierung der lebensrettenden Hypothermie schaffen.
Gekühlt bleibt’s länger frisch. Was auf den Salat zutrifft, gilt auch für den Menschen – besonders wenn der Körper schlecht mit Sauerstoff versorgt wird. Dies geschieht nach einem plötzlichen Herztod, der eine Überlebensrate von weniger als 10 Prozent hat. Tatsächlich ist eine milde Unterkühlung – eine sogenannte Hypothermie – die einzige wirksame Therapie zur Verbesserung der Überlebenschancen dieser PatientInnen. Jetzt wird von einem Team der Medizinischen Universität Wien untersucht, wie sich diese Behandlung durch eine Kombination mit invasiven Reanimationsmaßnahmen weiter verbessern lässt.
Wiederbeleben & Schaden beheben
Die positive Wirkung der Hypothermie liegt in der Reduktion des Schadens, den die Wiederdurchblutung dem Gewebe zufügt. Denn – so paradox es klingen mag – die Reanimation, die das Überleben der PatientInnen ermöglicht, führt zugleich zu einer Schädigung von Herzmuskel und Gehirn. Dazu Dr. Andreas Janata von der Universitätsklinik für Notfallmedizin, der das Projekt leitet: „Der sogenannte Reperfusionsschaden entsteht, wenn das Gehirn nach dem Stillstand wieder durchblutet wird. Tatsächlich löst die Wiederdurchblutung eine Entzündungsreaktion und oxidativen Stress aus, was das Gewebe schädigen kann. Dieser Schadensprozess kann durch Hypothermie reduziert werden.“ Nach heute gängigen Protokollen wird die Körpertemperatur dabei auf 32–34 Grad Celsius abgesenkt. Noch tiefere Temperaturen würden, so die Hypothese, zwar weitere Folgeschäden im Gehirn minimieren – doch würden sie zu nicht tolerierbaren Nebeneffekten für das Herz führen.
Genau dieses Behandlungsdilemma will das Team um Dr. Janata in den Griff bekommen. Denn invasive Reanimationsmaßnahmen durch eine Herz-Lungen-Maschine entlasten das Herz während der Wiederbelebung und erlauben dadurch die Anwendung niedrigerer Temperaturen. Doch welches Temperaturmanagement optimal wäre, ist bislang unbekannt – und wird in diesem Projekt geklärt.
Therapiecocktail „on the rocks“
Eine der Herausforderungen dabei ist die Vielzahl an physiologischen Prozessen, die durch Hypothermie beeinflusst werden. Dazu zählt neben dem programmierten Zelltod (Apoptosis), Immunantworten und Schädigungen von Nervenzellen (Excitotoxicity) auch der oxidative Zellstress. Tatsächlich sind die betroffenen Vorgänge so komplex, dass es schwierig wäre, ein einziges Therapeutikum zu finden, das eine ähnlich umfassend positive Wirkung wie die Hypothermie hätte. Dazu Dr. Janata: „Hypothermie ist wie ein Cocktail verschiedener Medikamente. Das macht es sehr schwierig ihre Wirkung – bzw. die Optimierung der Behandlungsbedingungen – zu studieren.“ Aufgrund dieser Komplexität besteht ein wesentlicher Teil der vor Kurzem begonnenen Arbeit des Teams um Dr. Janata darin, ein geeignetes Tiermodell zu etablieren, das die Analyse verschiedener Behandlungsregime erlaubt.
Tatsächlich konnte das Team bereits vor einiger Zeit Modelle für Herzkammerflimmern und invasive Reanimation entwickeln. Im Rahmen des Projekts werden für dieses Modell nun neurologische Verhaltenstests entwickelt. Diese werden nach einem herbeigeführten Kreislaufstillstand durchgeführt und erlauben es, die Erfolge von Behandlungen mit verschiedenen Graden der Hypothermie im Zusammenhang mit invasiven Wiederbelebungsmethoden zu vergleichen. Die Ergebnisse dieses vom FWF unterstützten Projekts können dann die Grundlage für die optimierte Behandlung bei plötzlichem Herztod bieten – ein medizinisches Problem, das trotz seines häufigen Vorkommens bisher eine erschreckend geringe Überlebensrate aufweist.
Bild und Text ab Montag, 22. April 2013, ab 10.00 Uhr MEZ verfügbar unter: http://www.fwf.ac.at/de/public_relations/press/pv201304-de.html
Wissenschaftlicher Kontakt:
Dr. Andreas Janata
Medizinische Universität Wien Universitätsklinik für Notfallmedizin Währinger Gürtel 18–20
1090 Wien
M +43 / 650 / 314 73 44
E andreas.janata@meduniwien.ac.at
Der Wissenschaftsfonds FWF: Mag. Stefan Bernhardt
Haus der Forschung Sensengasse 1
1090 Wien
T +43 / 1 / 505 67 40 – 8111 E stefan.bernhardt@fwf.ac.at W http://www.fwf.ac.at
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Wien, 22. April 2013