Wissenschaft
12. Dezember 2011
Videospiele als Benimmschule? Positive Effekte von Computergames im Forschungsfokus
Die positiven Effekte von Computerspielen auf Gedanken, Gefühle und Verhalten werden nun von SozialpsychologInnen erstmals näher untersucht. In insgesamt drei Studien wird beleuchtet, „wie“, „inwieweit“ und „wie lange“ kooperatives Spielverhalten positiven Einfluss auf die Persönlichkeit nimmt. Das vom Wissenschaftsfonds FWF unterstützte Projekt vervollständigt so die Forschungslage zu Persönlichkeits-Effekten von Computerspielen, die bisher eher von Untersuchungen zu deren negativen Konsequenzen dominiert wurde. So können wichtige Denkanstöße für die Analyse und nachhaltige Stärkung sozialer Fähigkeiten in allen Altersstufen gewonnen werden.
Gewalthaltige Videospiele fördern aggressives Verhalten. Dies gilt nach derzeitigem Kenntnisstand als gesichert. Anders sieht die Forschungslage bei kooperativen Spielen aus, also bei Spielen, die man gemeinsam mit anderen (menschlichen) SpielpartnerInnen spielt und bei denen man ein gemeinsames Ziel verfolgt. Dabei hängt der Spielerfolg eines/einer SpielerIn vom Spielerfolg eines/einer anderen SpielerIn ab und umgekehrt. Können sich diese Spiele positiv auf Gedanken- und Gefühlswelt sowie auf kooperatives Verhalten auswirken? Ein Team von SozialpsychologInnen nähert sich nun genau dieser Klärung in einem Projekt des Wissenschaftsfonds FWF.
Vom Ego-Shooter zum Teamplayer
Zum Hintergrund des Projekts erläutert der Projektleiter Prof. Tobias Greitemeyer vom Institut für Psychologie an der Universität Innsbruck: „Schon in zwei vorausgegangenen Pilotstudien haben wir positive Effekte des gemeinsamen Computerspielens bemerkt. Doch um diese Ergebnisse zu verifizieren, werden umfangreichere und längere Studien benötigt. Genau diese können wir nun durchführen.“ Das jetzt beginnende Projekt gliedert sich dabei in drei klar abgegrenzte Studien, die unterschiedliche Fragestellungen beantworten.
Eine erste Korrelationsstudie untersucht die Stärke und Art der Auswirkung von kooperativem Videospiel auf die Zugänglichkeit prosozialer Kognitionen. Dabei werden die TeilnehmerInnen zu ihren Vorlieben und Spielgewohnheiten befragt. Anschließend zeigen Wortergänzungsaufgaben den Grad des Vorherrschens kooperativer Denkstrukturen. Diese gelten als Indikatoren für die Bereitschaft zu gemeinschaftsorientiertem Verhalten. Befragungen und sogenannte „Dilemma-Tasks“, in denen die TeilnehmerInnen vor Entscheidungsaufgaben in sozialen Konfliktsituationen gestellt werden, geben Aufschlüsse
über deren Persönlichkeitsorientierung. So können kooperativ agierende SpielerInnen von wettbewerbsorientierten und individualistisch orientierten unterschieden werden. Diese Differenzierung zeigt wichtige Bezugspunkte zwischen Spielverhalten und emotionalen Einstellungen auf.
Des Weiteren beschäftigt sich eine Längsschnittstudie mit dem Grad positiver Effekte nach dem Konsum kooperativer Videospiele auch über Monate hinweg. Dabei werden sowohl Denk- und Gefühlsweisen als auch Verhaltensmuster untersucht. Umfangreiche Befragungen an zwei Zeitpunkten mit 4–6-monatigem Abstand zeigen sowohl Veränderungen als auch die Vorhersagekraft der ersten Erhebung auf.
Highscore im Sozialverhalten
Die dritte Studie des Projekts ist experimentell angelegt und befasst sich mit direkt messbaren kausalen Zusammenhängen zwischen Spielverhalten und positiven Effekten. In zwei Versuchsanordnungen verfolgen die TeilnehmerInnen dabei zu zweit entweder ein gemeinsames Ziel oder spielen allein. Anschließend werden die Zugänglichkeit prosozialer Gedanken und die Empathie der TeilnehmerInnen gemessen. Die Ergebnisse der Befragungen und Aufgaben sollen darüber Aufschluss geben, ob prosoziale Gedanken, Gefühle wie Empathie oder beides die Ursprünge gemeinschaftsorientierten Verhaltens sind.
Insgesamt wurden die drei Studien methodisch so angelegt, dass sie sowohl ein möglichst allgemeingültiges wie auch wissenschaftlich fundiertes Ergebnis liefern können. Dazu Prof. Greitemeyer: „Stehen die Korrelationsstudie und die Langzeitstudie in direktem Bezug zur Lebenswelt der TeilnehmerInnen, so ist die dritte Studie experimentell angelegt und erlaubt damit die direkte Identifikation von Kausalitäten.“ Doch nicht nur das Projektdesign ist umfangreich. Tatsächlich werden insgesamt jeweils zwischen 300 und 2.700 Schulkinder, StudentInnen und Erwachsene über einen Zeitraum von 4–6 Monaten befragt. Doch gerade dank seines Umfangs wird dieses FWF-Projekt erstmals gut verifizierte Daten zu einem wenig erforschten, aber hochaktuellen Phänomen liefern.
Bild und Text ab Montag, 12. Dezember 2011, ab 09.00 Uhr MEZ verfügbar unter: http://www.fwf.ac.at/de/public_relations/press/pv201112-de.html
Wissenschaftlicher Kontakt: Prof. Tobias Greitemeyer Institut für Psychologie Universität Innsbruck Bruno-Sander-Haus
Innrain 52
6020 Innsbruck
T +43 / (0)512 / 507 – 37452
E tobias.greitemeyer@uibk.ac.at
Wien, 12. Dezember 2011
Der Wissenschaftsfonds FWF: Mag. Stefan Bernhardt
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