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Wissenschaft

14. Juli 2006

Rote Äpfel – Quantensprung im Denken

In einem Alter von etwa vier Jahren erlangen Kinder sprunghaft die Fähigkeit zu erkennen, dass ein Objekt je nach Perspektive unterschiedlich beschrieben werden kann. Diese so scheinbar einfache Leistung ist allerdings erst aufgrund kognitiver Veränderungen möglich, die genau in diesem Alter weit genug vorangeschritten sind. Zu diesem Ergebnis kam man nun im Rahmen eines Projekts des Wissenschaftsfonds FWF an der Universität Salzburg im Fachbereich Psychologie. Die Untersuchung trägt damit auch zum besseren Verständnis von Entwicklungsbeeinträchtigungen wie Autismus und Aufmerksamkeitsstörung bei.

Vor dem vierten Lebensjahr können Kinder Objekte sehr gut klassifizieren – und sich so bereits in einer komplexen Welt zurechtfinden. Sie sortieren mühelos Objekte wie z. B. rote Äpfel entweder nach Farbe oder Form. Wurde ein Apfel allerdings erstmal als APFEL eingeordnet, ist das Objekt für sie endgültig klassifiziert. Den Apfel auch noch als ROT zu sehen, ist nicht nötig und – auch nicht möglich. Denn um zu verstehen, dass ein Objekt beides gleichzeitig sein kann, bedarf es quasi eines kognitiven Quantensprungs.

ROT aber nicht APFEL

Die Projektleiterin Dr. Daniela Kloo, Fachbereich Psychologie an der Universität Salzburg, konnte nun bei ihren Untersuchungen gemeinsam mit Professor Josef Perner feststellen, dass mit etwa vier Jahren eben dieser entwicklungspsychologische Sprung stattfindet. Wie Dr. Kloo anhand von Versuchen mit Spielkarten feststellen konnte, sind Kinder ab diesem Alter in der Lage, ein Objekt unterschiedlich zu beschreiben, zum Beispiel als APFEL und als ROTES Objekt.

Für Dr. Kloo stellte sich nun die Frage, ob Kinder vor diesem Alter überhaupt schon in der Lage sind, Eigenschaften bei gleichzeitiger Wahrnehmung voneinander zu unterscheiden. Dazu Dr. Kloo: „Durch eine simple Erweiterung der Versuchssituation konnten wir zeigen, dass Dreijährige tatsächlich gleichzeitig mit den Eigenschaften ROT und APFEL arbeiten – allerdings nur, solange die beiden Eigenschaften nicht zum selben Objekt gehören. Durch Verwenden einzelner Spielkarten mit zum Beispiel einem roten Kreis und einem farblosen

Apfel konnten die Dreijährigen den roten Kreis nach der Farbe sortieren und den Apfel nach der Form. So konnten wir sehr schön belegen, dass bereits Dreijährige fähig sind, Eigenschaften bei gleichzeitiger Wahrnehmung voneinander zu unterscheiden, und dass wohl speziell das Umbeschreiben eines Objekts Schwierigkeiten bereitet.“

Diese Aufspaltung der Eigenschaften auf zwei Objekte hat jedoch bei Erwachsenen nicht die gleichen Auswirkungen: Ihnen erleichtert dies die Sortier-Aufgabe nicht wesentlich – ein Hinweis darauf, dass die Art zu denken sich bei ihnen grundlegend verändert hat.

Hürde auch für Erwachsene

Dass es eigentlich immer eine kognitive Anstrengung bedeutet, eine einmal geformte Betrachtungsweise zu ändern, haben bereits andere Untersuchungen gezeigt. Dort wurden erwachsene Versuchsteilnehmer gebeten, den roten Apfel abwechselnd nach Farbe oder Form einzuordnen. Dabei machten sie zwar kaum noch Zuordnungsfehler, aber sie reagierten langsamer, wenn sie ein neues Sortierkriterium verwenden sollten. „Wir gehen davon aus, dass ein Kategorienwechsel grundsätzlich eine große Hürde für unser kognitives System darstellt. Darin werden wir zwar mit zunehmender Übung immer besser, doch gänzlich ohne Anstrengung werden wir nie auskommen“, erläutert Dr. Kloo.

Für sie deuten die Ergebnisse sogar an, dass mit etwa vier Jahren die Voraussetzungen für Verhaltensweisen wie Einfühlungsvermögen, Respekt und damit Toleranz geschaffen werden. Die mit Unterstützung des Wissenschaftsfonds FWF gewonnenen Ergebnisse geben damit nicht nur neue Einblicke in die neuropsychologischen Veränderungen im Laufe der menschlichen Entwicklung, sondern liefern Hinweise auf Interventionsmöglichkeiten bei Entwicklungsbeeinträchtigungen wie Autismus und Aufmerksamkeitsstörungen.

Bild und Text ab Montag, 17. Juli 2006, 09.00 Uhr MEZ verfügbar unter: http://www.fwf.ac.at/de/public_relations/press/pv200607-de.html

Wissenschaftlicher Kontakt: Mag. Dr. Daniela Kloo Universität Salzburg Fachbereich Psychologie Helilbrunnerstraße 34 A-5020 Salzburg

T +43 / 662 / 8044 – 5142 E daniela.kloo@sbg.ac.at (Prof. Josef Perner
T +43 / 662 / 8044 – 5124)

Wien, am 14. Juli 2006

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