Wissenschaft
27. September 2017
Nationalpark Hohe Tauern: Naturschutz im Einklang mit regionaler Wertschöpfung. Wie Natur geschützt und dennoch genutzt werden kann
Wie Naturschutz mit der wirtschaftlichen Nutzung eines Naturraumes harmonisieren kann, erlebte eine Gruppe von JournalistInnen im Nationalpark Hohe Tauern, Österreich. Im größten Schutzgebiet Mitteleuropas erfuhren sie Näheres über zertifizierte Almwirtschaften, gesteuerte Besucherströme, Wildnis-Camps und eine weltweit anerkannte Beziehungspflege mit der lokalen Jägerschaft. Inmitten einiger der schönsten Alpentäler und vor dem Hintergrund grandioser Bergkulissen zeigte sich ihnen dabei eine gesunde Natur als Grundlage regionaler Lebensqualität.
Naturschutz im dicht besiedelten Mitteleuropa ist eine Herausforderung. Damit er nachhaltig sein kann, muss er im Einklang mit legitimen Bedürfnissen der Menschen erfolgen. Der Nationalpark Hohe Tauern, der sich über die drei österreichischen Bundesländer Kärnten, Tirol und Salzburg erstreckt, gilt für diese feine Abstimmung international als Beispiel. Denn tatsächlich ist es dem Nationalparkmanagement dort erfolgreich gelungen, das größte Naturschutzgebiet in Mitteleuropa zu schaffen, dieses Millionen von BesucherInnen zugänglich zu machen und den Naturraum für die regionale Wertschöpfung zu nutzen. Mit welchen Maßnahmen dies so gut gelang, lernte eine Gruppe internationaler JournalistInnen vor Ort kennen.
„Nutzungskonflikte und ihre Lösung sind ein wichtiger Teil der 35-jährigen Geschichte des Nationalpark Hohe Tauern“ erläutert der derzeitige Direktoriumsvorsitzende des Nationalpark Hohe Tauern, Mag. Peter Rupitsch. „Die Nutzung von Wasserkraft in den Bergen, die Bewirtschaftung von Almen und die Kontrolle des Wildbestandes sind alles anthropogene Ansprüche an die Natur, die wir harmonisch mit den Bedürfnissen des Naturschutzes vereinbaren konnten.“
Ein ausgesprochen erfolgreiches Beispiel für harmonisch gelöste Nutzungskonflikte lernten die JournalistInnen dabei mit der Almbewirtschaftung im Nationalpark kennen. Almen prägen seit Jahrhunderten das Bild der Alpen und ihre nachhaltige Bewirtschaftung sichert sowohl eine hohe Biodiversität als auch die Manufaktur gesunder Lebensmittel. Dass diese gewachsene Harmonie durch die Etablierung des Nationalparks nicht gestört wurde, ist vor allem auch dem Nationalparkzertifikat für Almen in Tirol zu verdanken. Dieses ermöglicht eine standortangepasste, ökologisch verträgliche Almbewirtschaftung im Nationalpark und stellt eine freiwillige Übereinkunft zwischen AlmbewirtschafterInnen und dem Nationalpark dar.
Konfliktreicher – aber schlussendlich ebenfalls im besten Einvernehmen gelöst – war die Koordination mit der Jägerschaft im Nationalparkgebiet. Wie das Engagement des World Wide Fund For Nature (WWF), Pachtverträge, Gebietsankäufe und konstruktive Gespräche zu diesem Einvernehmen führten, erfuhren die JournalistInnen auf ihrer Tour durch die Bergwelt im Kärntner Teil des Nationalpark Hohe Tauern. Tatsächlich führte die Lösung dieses Konflikts zu mehreren Vereinbarungen mit der Jägerschaft, die international beachtete Regeln zum beiderseitigen Nutzen festlegten und so Wildbestände langfristig sicherten.
Denn neben der beeindruckenden Bergkulisse, den artenreichen Almwiesen entlang der Talflanken und den rauschenden Gebirgsbächen, zählt der reiche Tierbestand zu den Highlights des Nationalpark Hohe Tauern. Allein 180 Wirbeltierarten tummeln sich hier – von denen gut 90 Arten streng geschützt sind. Wie es dem Nationalparkmanagement gelingt diesen Artenreichtum – und all die anderen Naturerlebnisse des Nationalparks – möglichst vielen Menschen zugänglich zu machen, lernten die internationalen MedienvertreterInnen im Obersulzbachtal kennen. Hier, wo der Nationalpark Hohe Tauern im Land Salzburg liegt, gibt es für die Hundertausenden von BesucherInnen pro Jahr lebensnahe Indoor-Ausstellungen, eindrucksvolle Themen- und Erlebniswege und hoch qualifizierte Nationalpark RangerInnen, die im Kontakt mit den BesucherInnen eine bedeutende Rolle spielen. Mit ihrer Fähigkeit, Wissen gekonnt mit Abenteuern und Erlebnissen zu kombinieren, begeistern sie Erwachsene genauso wie Kinder. Dabei ist – wie die JournalistInnen im persönlichen Treffen erfahren durften – ihr Aufgabenspektrum beinahe unerschöpflich: Sie sind mit der Wasser- und Klimaschule unterwegs, arbeiten bei Forschungsvorhaben und Artenschutzprojekten mit, führen Wanderungen, halten Vorträge und informieren im Rahmen des Besucherdienstes.
Sie repräsentieren damit die Bedeutung, die das Nationalparkmanagement den BesucherInnen und ihren Naturerlebnissen insgesamt beimisst – ein Bereich der auch laufend weiterentwickelt wird. So wurde vor kurzem nicht nur eine neue, moderne Ranger-Basis errichtet, sondern in einem der wildesten und unberührtesten Täler des Hohe Tauern ein Wildnis-Camp harmonisch in die Landschaft eingefügt. Dies wird den interessierten NaturliebhaberInnen zukünftig einen ganz neuen und intimen Einblick in die Natur erlauben und damit ein unmittelbares Verständnis für die Natur schaffen – und spüren lassen, dass Naturschutz und Naturnutzung ausgewogen harmonieren können.
Über den Nationalpark Hohe Tauern (Stand September 2017):
Mit einer Fläche von 1.856 qkm stellt der 1981 gegründete Nationalpark Hohe Tauern das größte zusammenhängende Naturschutzgebiet Mitteleuropas dar. Er beheimatet 10.000 Tier- und 1.800 Pflanzenarten und verfügt mit dem Großglockner (3.798 m) über die höchste Erhebung Österreichs. Neben seiner Funktion als Erholungsgebiet von Mensch und Natur betreibt der Nationalpark Hohe Tauern Projekte, welche auch Klimaforschung berücksichtigen. Wichtige derzeit laufende Projekte befassen sich mit der Gletschermassenbilanz, dem Gewässermonitoring und der Überwachung des Permafrosts.