Forschung
7. Dezember 2005
Haben Sie erblichen Dickdarmkrebs? Verwandte & DNA-Analyse geben Antwort
Personen mit erblicher Veranlagung für Dickdarmkrebs können mit hoher Effizienz und geringem Kostenaufwand identifiziert werden – wenn die richtigen internationalen Kriterien angewendet werden. Dies ist das Ergebnis einer an 81 Patienten durchgeführten Studie der Medizinischen Universität, die heute veröffentlicht wird. Zusammen mit molekulargenetischen Analysen kann das Anwenden der internationalen Kriterien zu erheblichen Kostensenkungen bei der Dickdarmkrebs-Vorsorge in Österreich führen.
In Österreich erkranken jährlich 5.000 Personen an Dickdarmkrebs. Fünf bis zehn Prozent von ihnen möglicherweise auf Grund einer erblichen Vorbelastung. Diese Personen und ihre nahen Verwandten gehören damit zu einer Hochrisikogruppe. Damit diese Hochrisikogruppe optimal beraten und betreut werden kann, muss sie aber zuerst identifiziert werden.
Für diese Identifikation steht ein Zwei-Stufen-Plan zur Verfügung: Zunächst wird durch ärztliches Personal die Häufigkeit bestimmter Krebserkrankungen in der Familie der österreichischen Dickdarmkrebs-Patienten festgestellt. So werden mögliche Vererbungsmuster – und damit die Träger von relevanten Mutationen – identifiziert. In einer zweiten Stufe kann bei dieser vorselektierten Gruppe die DNA-Analyse Gewissheit über das Vorhandensein einer schädlichen Mutation schaffen.
Jetzt hat eine Gruppe um Prof. Judith Karner-Hanusch, Klinik für Chirurgie, Medizinische Universität Wien, eine grundlegende Untersuchung veröffentlicht, die zur zukünftigen Effizienz und Effektivität dieses Zwei-Stufen-Plans beiträgt. Dazu Prof. Karner-Hanusch: „Ziel der ersten Stufe dieser Auswahl muss es sein, möglichst viele der tatsächlichen Mutations-Träger in einer möglichst kleinen Gruppe zu haben. Dann ist die anschließende genetische Analyse am effektivsten.“
International gibt es vier Kriteriensätze, die dem Arzt bei der Identifikation der Hochrisikogruppe helfen sollen: „Amsterdam II“ und die „Bethesda Guidelines“ sowie deren modifizierte Formen „Modified Amsterdam II“ und „Modified Bethesda Guidelines“.
In Österreich wurde bisher keiner dieser Kriteriensätze auf seine tatsächliche Wirksamkeit hin untersucht. Diese Informationslücke hat nun Prof. Karner-Hanusch und ihr Team geschlossen. Dazu wurden 81 österreichische Individuen untersucht, in deren Familien erblich bedingter Dickdarmkrebs vorkam. Von diesen wiesen 19 Personen eine der zwei Mutationen auf, die für den erblichen Dickdarmkrebs hauptverantwortlich sind.
Prof. Karner-Hanusch untersuchte zunächst, wie viele dieser 81 Personen insgesamt durch die jeweiligen Kriteriensätze ausgesucht worden – und wie viele der 19 Mutations-Träger dabei berücksichtigt worden wären. Dieser letzte, als Sensitivität bezeichnete Wert war zwar bei den Bethesda Kriterien mit 100% am höchsten – alle 19 Mutationsträger waren selektiert worden. Allerdings war für dieses gute Ergebnis ein hoher Aufwand notwendig. Denn tatsächlich sind nur deshalb alle Mutationsträger erfasst worden, weil die Gruppe der vorselektierten Personen sehr groß war – 72 der 81 Individuen. Damit aber steigt der Bedarf an Zeit und Geld, um die DNA- Analyse aller ausgewählten Personen durchzuführen.
Ein wesentlich besseres Verhältnis von Aufwand zu Nutzen lieferten die Modified Amsterdam II Kriterien. Hier wurden fast 85% aller Mutationsträger identifiziert – aber nur 52 der 81 Individuen mussten untersucht werden. Dazu Prof. Karner-Hanusch: „Die Modified Amsterdam II Kriterien stellten sich in unserer Untersuchung als sehr effizient heraus. Im Vergleich zu den Bethesda Kriterien reduzieren diese Kriterien den Gesamtaufwand für die anschließende DNA-Analyse und bieten trotzdem eine sehr hohe Effizienz. Deshalb haben wir auf der Tagung der Austrian Breast and Colorectal Cancer Study Group am 20.11.2005 diese Richtlinien auch als offiziellen Standard für Österreich empfohlen.“ Zusätzlich weist Prof. Karner-Hanusch aber auch noch auf eine geradezu paradoxe Situation in Österreich hin: Die Krankenkassen übernehmen derzeit zwar die gesamten Kosten für die umfassende Vorsorgeuntersuchungen der Mitglieder der Hochrisikogruppe – nicht aber für die molekulargenetische Untersuchung, ob diese tatsächlich Mutations-Träger sind. Dabei, so betont Prof. Karner-Hanusch, spart jede DNA-Analyse, die ausschließt, dass eine Person Mutations-Träger ist, enorme Kosten für das Gesundheitswesen ein. Tatsächlich können über EUR 14.000 – bei Kosten von ca. EUR 800 – pro Betroffenem eingespart werden, wenn die DNA-Analyse im Competence Center for Genetic Analysis durchgeführt wird, einem Zentrum führender österreichischer Experten für molekulargenetische Analyse.
Originalpublikation: Efficiency of the revised Bethesda guidelines (2003) for the detection of mutations in mismatch repair genes in Austria HNPCC patients. Int. J. Canc.‚Wolf et al. DOI 10.1002/ijc.21524
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Wien, 7. Dezember 2005