Wissenschaft
16. Januar 2006
Genetischer Fingerabdruck entlarvt mikrobielle Täter auf beschädigtem Papier
Erstmals können nun mittels modernster DNA-Analyse auch Papier zersetzende Mikroorganismen identifiziert werden. Möglich wird dies durch ein molekulares Verfahren, das mit Unterstützung des Wissenschaftsfonds FWF an der Universität Wien für pilzbefallene Dokumente entwickelt wurde. Dabei lassen sich anhand des als ITS1 bezeichneten DNA-Abschnitts Pilzarten eindeutig bestimmen und künftig gezielt Maßnahmen zum Erhalt historischer Dokumente setzen.
Der Zahn der Zeit, der an historisch wertvollen Schriftstücken nagt, lässt sich im Allgemeinen leicht benennen: Mikroorganismen wie etwa Pilze setzen sich bei günstigen Bedingungen fest und zersetzen langsam das Dokument. Gilt es diese Pilze genau zu identifizieren, sind herkömmliche Methoden jedoch aufwändig und ungenau. Diese benötigen eine relativ große Menge an Probenmaterial sowie die Vermehrung und anschließende mikroskopische Bestimmung der Pilzprobe: ein insgesamt langwieriger und damit fehleranfälliger Prozess. Ein Team um Dr. Guadalupe Pinar am Department für Medizinische und Pharmazeutische Chemie, Universität Wien, entwickelte nun ein Verfahren, mit dem sich Pilzarten anhand ihrer DNA schnell und eindeutig klassifizieren lassen.
Multiple Mutationen
Dabei macht sich Dr. Pinar eine Besonderheit im Erbgut vieler Pilzarten zu Nutze: Ein als ITS1 bezeichneter DNA-Abschnitt weist von Art zu Art enorme Unterschiede in der Sequenz der DNA-Basenpaare auf. Zum Ursprung dieser Unterscheidungsmerkmale erläutert Dr. Pinar: „Der ITS1-Abschnitt unterliegt häufig spontanen Mutationen. Da dieser DNA-Abschnitt jedoch keine erkennbare Funktion im Pilzgenom aufweist und nicht unmittelbar zur Überlebensfähigkeit einer Pilzart beiträgt, sind diese Spontanmutationen nicht weiter nachteilig. Jede Pilz-Art hat damit allerdings ihren typischen ITS1-Abschnitt und somit eine ganz individuelle Kennung.“
Damit diese Sequenzunterschiede analysiert werden können, werden aber – für molekularbiologische Verhältnisse – große Mengen an DNA benötigt. Die kann man zwar dadurch gewinnen, dass große Mengen des Ausgangsmaterials verwendet werden – bei historischen Dokumenten verbietet sich diese Möglichkeit jedoch.
Dem ForscherInnen-Team gelang es nun mittels modernster Methoden, die benötigte DNA in ausreichenden Mengen herzustellen. Dazu erläutert die Diplom-Biologin Astrid Michaelsen, Teampartnerin von Dr. Pinar: „Wir verwenden die Polymerase Chain-Reaktion, ein hoch effizientes Verfahren, um einzelne DNA-Abschnitte zu vervielfältigen. So können wir ITS1- Fragmente in großer Menge und in hoher Reinheit herstellen, selbst wenn wir nur sehr kleine Mengen an Pilzmaterial für die DNA-Extraktion zur Verfügung haben. Das erlaubt die bereits in Mitleidenschaft gezogenen Dokumente größtmöglich zu schonen.“
Spannende Ergebnisse
Werden genügend ITS1-Fragmente erzeugt, kann die eigentliche DNA-Analyse erfolgen: Bei der als Denaturing Gradient Gel Electrophoresis bezeichneten Analyse werden die ITS1- Fragmente in ein unter elektrischer Spannung stehendes Gel gegeben. Je nach Mutationen legen die ITS1-Proben in diesem Spannungsfeld unterschiedlich weite Wegstrecken zurück, die für jede Pilzart charakteristisch sind. Schon ein Austausch von einem Basenpaar resultiert in Unterschieden, die ein exaktes Bestimmen der Pilzart zulassen.
Die nun entwickelte Methode bietet tatsächlich noch einen weiteren Vorteil gegenüber traditionellen Methoden: Selbst nicht mehr lebensfähige Pilze können als Ausgangsmaterial dienen. Dazu Dipl.-Biol. Michaelsen: „Gerade auf Papier ist zu beobachten, dass Pilze nach etwa 20 Jahren nicht mehr aktiv sind. Die DNA, das Ausgangsmaterial für unsere Methode, kann aber auch aus solchem Material isoliert werden. Es können also mit unserer Methode auch Dokumentenproben untersucht werden, auf denen der Pilz zwar inaktiv ist, aber der Zersetzungsprozess sich trotzdem fortsetzt. Traditionelle Methoden scheitern hier, da sie auf die Vermehrung lebensfähiger Pilze angewiesen sind.“
Die Ergebnisse dieses vom Wissenschaftsfonds FWF unterstützten Projekts erlauben es nun, je nach Pilzart individuell geeignete Restaurierungs- und Pflegemaßnahmen in Zusammenarbeit mit dem „Istituto Centrale per la Patologia del Libro“ in Rom zu entwickeln, das auch die historischen Proben zur Verfügung stellt. So kann der Erhalt wichtiger Kulturgüter für zukünftige Generationen optimal gesichert werden.
Bild und Text ab Montag,16. Jänner 2006, 09.00 Uhr MEZ verfügbar unter: http://www.fwf.ac.at/de/press/pv200601-de.html
Wissenschaftlicher Kontakt: Dipl.-Biol. Astrid Michaelsen Universität Wien
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Wien, 16. Jänner 2006