Wissenschaft
18. August 2008
Frankreich: Familien geben sich neue Biografie
Ob Frankreichs Familienmuster immer vielfältiger werden, wird erstmals anhand ganzer Lebensverläufe untersucht. Diese sollen aufzeigen, wie sich Familienstrukturen während eines Lebens entwickeln und welche verschiedenen Familienkonstellationen dabei durchlaufen werden. Das jetzt startende Projekt im Rahmen eines Erwin- Schrödinger-Stipendiums des Wissenschaftsfonds FWF wird nicht zuletzt dadurch entstehende Auswirkungen auf die Geburtenrate aufzeigen und einen Vergleich mit anderen nördlichen Ländern Europas sowie Österreich ermöglichen.
Ein Lebenslauf kann nicht nur den beruflichen Weg eines Menschen beschreiben – sondern auch den Weg, den sein Familienleben nimmt. Denn Familienstrukturen können im Laufe eines Lebens neu entstehen, sich über die Zeit verändern und schließlich auch wieder auseinanderfallen.
Wie solche Familienbiografien heutzutage in Frankreich aussehen und vor allem ob sich diese während der letzten Jahrzehnte verändert haben, untersucht DI Dr. Maria Winkler- Dworak vom Institut für Demographie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften ab sofort an der Universität von Wisconsin, einem der führenden Sozialwissenschafts-Zentren zur Erforschung von Bevölkerungsstrukturen. Im Zentrum steht die Frage, ob Menschen im Laufe ihres Lebens eine immer größere Vielfalt an Familienmustern durchlaufen, die im Gegensatz zu früher turbulenter und weniger stark strukturiert sind. Dabei wird insbesondere analysiert, wie sich die Wechselbeziehung von Partnerschafts- und Fertilitätsentscheidungen auf den Familienlebenslauf eines Menschen auswirkt.
Klassisch oder Patchwork
Bisher konnten die Muster moderner Familien nicht klar bestimmt werden, wie DI Dr. Winkler-Dworak erklärt: „Zum einen haben sinkende Geburtenraten und eine starke Zwei- Kind-Norm zu einer Standardisierung im Geburtenverhalten geführt. Auf der anderen Seite sind Familienwege von Menschen aufgrund der zunehmenden Instabilität von Partnerschaften oftmals viel turbulenter und vielfältiger als früher. So führen Menschen während ihres Lebens oftmals mehrere Beziehungen und erleben verschiedenste Familienkonstellationen von der klassischen Vater-Mutter-Kind-Familie bis zur Patchworkfamilie.“ Je nachdem, ob der Trend zu einem einheitlichen Geburtenverhalten oder
zu einem immer komplexeren Partnerschaftsverhalten überwiegt, können Familienmuster als einheitlich oder immer vielfältiger bezeichnet werden.
Die erstmalige Untersuchung ganzer Familienbiografien soll nun zeigen, welcher der beiden Trends bestimmend ist und welche Konsequenzen sich daraus für die Familienmuster ergeben. Dabei werden insbesondere mögliche Auswirkungen von Partnerschaftsinstabilität auf das Geburtenverhalten untersucht. Denn einerseits erschweren instabile Partnerschaften das Erreichen der gewünschten Kinderzahl innerhalb einer einzigen Ehe oder Lebensgemeinschaft. Andererseits kann es dadurch zu weiteren Geburten in neuen Partnerschaften kommen.
Volle Bandbreite
Möglich wird die Untersuchung auf Grundlage einer groß angelegten Befragung der französischen „Etude de l’Histoire Familiale“ (EHF), wie DI Dr. Winkler-Dworak ausführt: „Die hohe Qualität und das enorme Ausmaß der EHF-Befragung wird es uns ermöglichen, die volle Bandbreite an Familienwegen zu erkennen, auch solche, die eher unüblich sind. So können wir Angaben von 380.000 Männern und Frauen untersuchen, die zu Herkunft, Kindern, Partnerschaften oder sozialem Hintergrund befragt wurden. Wichtig ist zudem, dass im Gegensatz zu anderen Befragungen verhältnismäßig viele Daten von Männern zur Verfügung stehen. Dadurch können wir neben allgemeinen Familienmustern auch mögliche Unterschiede in den Familienbiografien von Frauen und Männern erkennen.“
Die Studie im Rahmen des Erwin-Schrödinger-Stipendiums des FWF, das jungen WissenschafterInnen die Mitarbeit an renommierten ausländischen Forschungseinrichtungen ermöglicht, wird auch die Gelegenheit zu Vergleichsanalysen mit anderen Ländern geben. So weisen beispielsweise die USA oder die nordischen Länder Europas ähnlich wie Frankreich relativ hohe Geburtenraten bei gleichzeitig eher unbeständigen Lebenspartnerschaften auf. Spannend sind aber insbesondere auch Vergleiche zu Ländern mit anderer Struktur, die wie Österreich eine niedrige Geburtenrate aufweisen. So sind hier auch bereits Vergleichsanalysen geplant, sobald die UN ab 2009 neue Daten für Österreich veröffentlicht.
Bild und Text ab Montag, 18. August 2008, 09.00 Uhr MEZ verfügbar unter: http://www.fwf.ac.at/de/public_relations/press/pv200808-de.html
Wissenschaftlicher Kontakt:
DI Dr. Maria Winkler-Dworak Österreichische Akademie der Wissenschaften
Institut für Demographie Wohllebengasse 12-14, 6. Stock 1040 Wien
T +43 / 1 / 51581-7709
E maria.winkler-dworak@oeaw.ac.at
Der Wissenschaftsfonds FWF: Mag. Stefan Bernhardt
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Wien, 18. August 2008